Traumfabrik: Interview

„Ich habe einen Riesenrespekt vor dem Babelsberger Handwerk“

Tom Zickler ist einer der renommiertesten deutschen Filmproduzenten. Erste Erfahrungen sammelte er während des Studiums als Aufnahmeleiter bei der DEFA in Babelsberg. Anfang der 1990er-Jahre gründete er zusammen mit Til Schweiger zunächst das Produktionsunternehmen Mr. Brown Entertainment, später Barefoot Films, wo er bis 2016 als Geschäftsführer fungierte. Zickler produzierte etliche erfolgreiche Filme, darunter KNOCKIN' ON HEAVEN'S DOOR, BARFUSS, KEINOHRHASEN, ZWEIOHRKÜKEN, KOKOWÄÄH, FRIENDSHIP! und HONIG IM KOPF. 2017 gründete er gemeinsam mit Studio Babelsberg die Produktionsfirma Traumfabrik Babelsberg. Ihr erstes Projekt - der Liebesfilm TRAUMFABRIK - kommt am 4. Juli 2019 in die Kinos.

Auf der Rangbrücke treffen sich die Hauptfiguren Milou (Emilia Schüle) und Emil (Dennis Mojen).
Das Gelände von Studio Babelsberg als Filmkulisse.

In den Film TRAUMFABRIK sind viele Deiner eigenen Erfahrungen und Erlebnisse aus Deiner Anfangszeit in Babelsberg eingeflossen. Hast Du eine ganz bestimmte Vorstellung von den Kulissen gehabt? Sollten diese möglichst realitätsgetreu oder bewusst überzeichnet sein?

Tom Zickler: Viele Orte standen für mich schon vorher fest, zum Beispiel der Gang beim Tonkreuz, wo wir die Plansequenz gedreht haben oder die Rangbrücke in der Marlene-Dietrich-Halle... Die Brücke war eigentlich das überzeugendste Argument für alle, weil die noch niemand kannte. Ich weiß noch, als ich mit dem Kameramann Martin Schlecht das erste Mal auf die Brücke geklettert bin. Als er sie gesehen hat, war er der glücklichste Mensch der Welt, weil er ganz genau wusste, was das für ein großartiges Bild geben wird, wenn von dort oben alles ausgeleuchtet ist! Mit Arend Remmers, der das Drehbuch geschrieben hat, war ich ja jeden Tag in Babelsberg. Und immer wenn wir eine Pause machten, lief ich mit ihm über das Studiogelände und erklärte ihm, welche Szene ich mir wo vorstelle.

Alles in allem wollte ich nicht, dass wir nur strahlende Orte zeigen. Denn auch damals sah das Gelände natürlich nicht überall attraktiv aus. Ich wollte, dass die Szenerie der „Traumfabrik“ ein bisschen neckisch aussieht, dass sie wirklich wie eine Fabrik wirkt. So haben wir uns entschieden, das DEFA-Studio im Film komplett neu zu konzipieren und das Funkhaus in der Nalepastraße in Berlin mitzunutzen.

Worauf ich von Anfang an bestanden habe, war das Eingangstor. Bei der DEFA gab’s ja kein Tor. Es fand sich nur eine Schranke und ein kleines Pförtnerhäuschen. Auf dem Gelände waren alle möglichen Gewerke ansässig; eigentlich hätte einfach ein Tor gebaut werden können. Schon damals hatte ich also gesagt: „Die DEFA muss doch ein großes Tor bauen für so ein Studio!“ Das hat die DEFA jedoch nie gemacht. Für TRAUMFABRIK wünschte ich mir aber so ein Tor.

Das Eingangstor zum Filmstudio war für Tom Zickler eins der wichtigsten Kulissenelemente.

Wie wurde das fiktive Eingangstor dann konzipiert?

Die Idee lieferte unsere Szenebildnerin Isabel von Forster. Unser ganz toller Art Director, Uwe Stanik, zeichnete dann das Tor. Und gebaut wurde es im Art Department Studio Babelsberg. Als ich das erste Mal die Zeichnung sah, sagte ich: „Genauso möchte ich das! Ich möchte nicht, dass das Tor anders aussieht. Genau so soll es aussehen.“ Und wenn man jetzt die Drehfotos mit den Zeichnungen vergleicht, ist zu sehen, dass das Tor wirklich hundertprozentig so umgesetzt worden ist.

Die 60-Meter lange Fläche (links) in der Marlene-Dietrich-Halle gestalteten die Kunstmaler mit dem ägyptischen Horizont.

Welches Set hat Dich am meisten beeindruckt?

Es war schon das, was uns die längste Vorbereitungszeit gekostet hat: das monumentale "Kleopatra-Set". Faszinierend fand ich den "Set im Set"-Ansatz: Einerseits das Studio selbst als Set, andererseits das antike Ägypten als Filmkulisse im DEFA-Studio. Der Übergang zwischen diesen beiden Elementen ist sehr gut gelungen!

In den ersten Drehbuchfassungen hatten wir 3-4 solcher Sets, das wäre aber viel zu teuer geworden. Dann hat man angefangen zu überlegen: Wie kann man dieses Set so bauen, dass man viele verschiedene Szenen in diesem einen Set erzählen kann? Wie schafft man es, dass es vielleicht durch ein anderes Licht komplett anders aussieht? Und dann wurde es hier in Babelsberg sehr intelligent umgesetzt, das Set konnte jederzeit umgebaut werden und man konnte schnell verschiedene Lichtstimmungen einstellen... Das war beim Drehen fantastisch, wie schnell wir zwischen Tag- und Nachtszenen wechseln konnten!

Außerdem freue ich mich immer noch über diesen tollen Horizont im ägyptischen Set! Als ich eines Tages die Halle betrat und die circa 60 Meter lange Fläche entdeckte, die über Nacht gespannt wurde und die mit dem Horizont bemalt werden sollte, dachte ich nur: „Mein lieber Scholli – da hat man sich ja was vorgenommen!“. Drei bis vier Wochen waren die Kunstmaler dann mit dem Malen beschäftigt. Am Ende war ich begeistert von dieser Kombination aus Palmen und Pyramiden, aus alten Lampen und dem historischen Filmstudio, wo überall „Rauchen verboten“ an den Wänden steht.

Das antike Ägypten...
... neben dem stilisierten DEFA-Schriftzug "Rauchen verboten"

Wie stark warst Du in die Kulissenbau-Planungen involviert?

Ich glaube, ich war der erste Produzent überhaupt, der so früh am Morgen an den Baubesprechungen teilnahm. Die Baubesprechungen fanden meist früh um 7 Uhr im Studio 3 „Große Nord“ statt. Da ich in Berlin wohne, hätte ich sehr zeitig aufstehen müssen, um so früh im Studio zu sein. Aus diesem Grund besorgte ich mir eine Matratze, schlief im Büro und war bei den Baubesprechungen dabei. Ehrlich gesagt, hatte ich keine Ahnung, worüber da gesprochen wurde, aber mich faszinierte einfach, wie dort bis ins Detail geplant wurde. Ich habe einen Riesenrespekt vor diesem Handwerk!

Ägyptische Säulen wurden - wie in den 60er Jahren - handbemalt.
Um die Kostüme herzustellen, nutzte das Team mehrere Werkstätten.

Du hast Deine Karriere in Babelsberg angefangen und bist mit TRAUMFABRIK zurückgekehrt. Hat sich an der Arbeitsweise im Studio etwas geändert?

Im Gegensatz zu damals läuft heute alles sehr viel schneller ab. Damals bei der DEFA arbeiteten hier wirklich die Besten der Besten: die besten Maskenbildner, die besten Kostümbildner, die besten Kulissenbauer. Und ich glaube, sie gingen auch sehr akribisch vor, weil früher so viel mehr Zeit zur Verfügung stand.

Wenn ich heute an die DEFA-Drehtage zurückdenke, dann erscheinen sie mir gemütlicher. Wenn mal drei Stunden gewartet wurde, dann wurde eben gewartet. Es wurden ja auch nicht so viele Einstellungen am Tag gedreht. Zum Beispiel wartete man, wenn Autos mit Transporten von A nach B nicht rechtzeitig ankamen. Irgendwas war ja immer! Früher plante man einfach für Vieles mehr Zeit ein und dachte in ganz anderen Zeiträumen. Wenn du heute beispielsweise in Erfurt drehst, dann brichst du früh um 4 Uhr in Babelsberg auf, drehst und bist abends um 20 Uhr wieder zurück...

Einige Sachen von damals sind aber geblieben, die Liebe zum Detail zum Beispiel. Das Handwerk, die Requisiten und der Kostümfundus haben heute genau so eine hohe Qualität wie zu DEFA-Zeiten.

In Babelsberg ist alles möglich: Elefanten verlassen das TRAUMFABRIK-Set.
Tom Zickler in der Außenkulisse 'Neue Berliner Straße', hier als West-Berlin.

Und wie zufrieden bist Du mit der Arbeit der Handwerker vom Art Department?

Wenn man ein Drehbuch entwickelt und eine bestimmte Vorstellung von allem hat, dann entspricht diese Vorstellung für mich 100 Prozent. Beim Dreh muss man oft Abstriche machen und aus den 100 Prozent werden immer ein bisschen weniger. Wenn am Ende 80 Prozent rauskommen, ist man schon zufrieden. Bei TRAUMFABRIK wurden aus den 100 Prozent sogar 110 Prozent! Also meine Erwartungen wurden übertroffen. Die Rangbrücke, das Piraten-Dorf, das Kleopatra-Set – das ist alles so schön geworden!

Es sind manchmal nur Kleinigkeiten, wie der Haarschnitt von Heiner Lauterbach, der so genial zu seiner Figur passt oder die Brille von Wilfried Hochholdinger... Sie erfordern eine hohe Kreativität, die man nicht hoch genug schätzen kann. Alles ist in Babelsberg möglich. Du kannst auch nachts um 3 Uhr in der Außenkulisse mit dem Panzer fahren. In Berlin kannst du ja so was nicht mehr machen, ohne Bewohner zu verärgern oder eine spontane Demo zu provozieren. Für TRAUMFABRIK wurde so viel Tolles realisiert, mehr als ich erhofft hatte!

Fotos: © Julia Terjung, © Art Department Studio Babelsberg

 
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