Gnadenlos: Interview

„Es war ein fantastisches Ineinandergreifen von allen Departments mit sehr viel Begeisterung und Knowhow.“

Andreas Olshausen arbeitet seit über 30 Jahren als Production Designer und Art Director für Film-, Fernseh- und Werbeproduktionen. Der gelernte Tischler und Bauingenieur weist ein beeindruckendes Portfolio an deutschen und internationalen Projekten auf, darunter BEYOND THE SEA, MISSION IMPOSSIBLE, DAS BOURNE ULTIMATUM, INGLOURIOUS BASTERDS, UNKNOWN IDENTITY, HÄNSEL & GRETEL: DIE HEXENJÄGER 3D, COUNTERPART und zuletzt 3 ENGEL FÜR CHARLIE und GNADENLOS (WITHOUT REMORSE).

GNADENLOS spielt unter anderem in Murmansk. Die russische Stadt hast Du in der Außenkulisse von Studio Babelsberg nachgebaut. Welchen Herausforderungen bist Du dabei begegnet?

Andreas Olshausen: Die Außenkulisse wurde nicht nur farblich behandelt, sondern der Regisseur Stefano Sollima, der auf Realität bei den Dreharbeiten setzte, wollte unbedingt eine komplette Szene auf 22 Metern Höhe spielen lassen und vom Dach eines Gebäudes in die Straßenflucht schauen.

Wir haben hinter einer Hausfassade eine komplette Stahlkonstruktion in Höhe der Hausfassaden aufgebaut, die nicht nur den statischen Vorgaben und der Windlast genügen musste, sondern gleichzeitig zu einer komplett eingerichteten Wohnung im zweiten Stock gestaltet wurde, die von einer Rakete zu 80 Prozent zerstört werden sollte.

Auch die Requisiten vom Set Decoration Department, von Bernhard Henrich und seinem Team, spielten eine wichtige Rolle, um den Look der Wohnung und der Straße vor und nach der Explosion zu vermitteln.

Die ganze Szene spielte nur nachts und wir haben Mitte November schon bei Temperaturen um den Nullpunkt gedreht. Das bedeutete höchste Anforderungen an die gesamte Crew, sicherheitstechnisch und drehtechnisch.

 

Warum habt ihr die Stadt Murmansk in der Außenkulisse konzipiert?

Wir haben uns verschiedene Locations in Berlin, Dresden und Görlitz angeschaut und uns entschieden, die Szenen im Metropolitan Backlot in Babelsberg zu drehen. Zum Ersten hatten wir somit die größtmöglichen Freiheiten hinsichtlich des Drehplans und der Umsetzung: Wir konnten eine Hausfront durch ein großkalibriges Geschoss fast ganz zerstören. Für die erneute Aufbauphase, um davon einen zweiten Take drehen zu können, konnten wir innerhalb des Studios zu einem anderen Motiv in einem überschaubaren Rahmen mit dem gesamten Team umziehen.

Zum Zweiten war der Look durch die farbliche Behandlung von 50 Prozent der Außenkulisse dem tatsächlichen Murmansk zum Verwechseln ähnlich. Zum Dritten haben wir in der Außenkulisse die benötigten Sichtachsen gefunden, die sich der Regisseur vorgestellt hat. Da hat einfach alles geklappt.

Im Wassertank von Studio Babelsberg habt ihr mit einem Flugzeug gedreht. Wie habt ihr das logistisch gemeistert?

Die Flugzeug-Kulisse gehört absolut zu den großen Besonderheiten, die man so kreieren kann. Hierzu wurde eine ausrangierte, aber noch flugtüchtige Boeing 737 erworben, die auf dem damals noch nicht in Betrieb genommenen Flughafen BER gelandet, demontiert (Triebwerke, Fahrwerk etc.) und von uns mit speziellen Diamantsägen in vier Teile filetiert wurde. Allein der Transport der zerteilten Flugzeugröhre vom BER ins Studio war ein Hingucker und eine logistische Meisterleistung des Transportteams.

Hier hatten wir zusammen mit Gerd Nefzer und seiner Firma Nefzer Special Effects die Anforderung, den Absturz der Maschine in allen Details so real wie möglich zu gestalten: vom großen Mockup auf einem Gimbal in einem Studio, über das Auftreffen der Maschine auf der Wasseroberfläche in einem anderen Studio, dem Auseinanderbrechen des Flugzeugkörpers im Wassertank in Babelsberg bis zum Absinken des Flugzeuges in einem Spezialtank im Norden von Deutschland.

Für diese Spezialarbeiten im Flugzeug und Unterwasser haben wir zusammen mit dem Team von Gerd Nefzer die originalen Flugzeugkörper nach den Anforderungen wieder stabilisiert und in die verschiedenen Sets eingebaut: Spezialbecken, Rutschen, Hydraulik, Hebevorrichtungen, Pumpen – eigentlich alles, was das SFX-Herz begehrt. Diese Umbauten für die Dreharbeiten in einem sehr engen Zeitrahmen waren die zweite Meisterleistung und nicht zu vergessen die jeweiligen Umbauten während des Drehs.

Herausfordernd kam noch hinzu, dass in dem großen Wasserbecken noch eine zweite Sequenz im unmittelbaren Anschluss gedreht werden sollte: Ein SUV stürzt in den Potomac River. Eine Unterwasserwelt, gestaltet vom Greens Department um Barbara Jäger, musste sozusagen über Nacht eingebracht werden...
Es war ein fantastisches Ineinandergreifen von allen beteiligten Departments mit sehr viel Begeisterung und Knowhow.

 

Ihr habt das Art Department Studio Babelsberg für den Bau der Kulissen beauftragt. Was schätzt Du an der Zusammenarbeit?

Die Anforderungen bei so einem großen Projekt sind sehr vielschichtig, sodass wir eine Firma brauchten, die innerhalb von sehr kurzer Zeit ein sehr engagiertes Team auf die Beine stellen konnte. Die langjährige Erfahrung in der Zusammenarbeit mit den verschiedenen Gewerken wie Spezialeffekte, Stunt Department, Greenery, Kamera- und Lichtdepartment machte sich sofort bezahlt, weil wir uns nicht erst kennenlernen mussten.

Mit Robert Samtleben vom Art Department hatten wir einen hervorragenden Construction Manager, der nicht nur sein Team zu führen wusste, sondern auch in Kombination mit den vielen Zulieferern virtuos das Zeitmanagement meisterte.

Nachts im Metropolitan Backlot: Hauptdarsteller Michael B. Jordan (3. v. rechts) mit den Schauspielern (v. r. n.l.) Jacob Scipio, Jodie Turner-Smith, Todd Lasance, Jamie Bell und Jack Kesy (© Amazon Prime)

Du hast viele Actionfilme in Deiner Vita. Was macht Dir am meisten Spaß bei diesem Genre?

Ich würde mich nicht auf ein Genre festlegen wollen. Die Zusammenarbeit mit so unterschiedlichen Menschen, aus so verschiedenen Bereichen, mit so mannigfaltigen Anforderungen macht einfach Spaß. Die gesamte Vorbereitung des Art Departments – von den anfänglichen Moods und diversen Ideen, die Präsentation dieser Ideen mit gebauten Modellen und Konzepten, die Realisierung in Zusammenschluss mit den verschiedenen Gewerken und das Drehen mit dem gesamten Team – das macht den besonderen Reiz aus.

Und diese Größenordnung, internationale Projekte mit dem dazugehörigen Budget, kann man in Deutschland nur in Babelsberg erleben. Besonders vielschichtig ist das natürlich im Actionfilmbereich, aber auch ein Drama wie BEYOND THE SEA oder eine Komödie wie BIG BUSINESS haben ihren Reiz.

 

Fotos: © 2020 Paramount Pictures/Nadja Klier, © Art Department Studio Babelsberg

 
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